23.10.2005

Friedenspreis für Orhan Pamuk

Kleine Laudatio für einen großen Schriftsteller

Heute wurde Orhan Pamuk in der Paulskirche von Frankfurt a.M. der Friedenspreis des Börsenvereins des dt. Buchhandels verliehen. Die Laudatio hielt Joachim Sartorius.

Spannender, anregender war die Danksagung von Pamuk. Orhan Pamuk schilderte sein Selbstverständnis als Roman-Autor in Auseinandersetzung mit den Lesern, mit den Menschenbildern als Erweiterung individueller Horizonte durch Identifikation, für die er als Quelle der Toleranz plädiert.

Dieser Roman-Humanismus wurde zur Überleitung für Pamuks Vision einer Europäischen Union, die sich auf die Gedanken der Aufklärung gründet und dem Menschen in seiner Individualität, also auch Tradition, Religion und Moderne Respekt, also politische und soziale Zugehörigkeit einräumt.

Wer nun mit Hinweis auf Demokratiedefizite, Menschenrechtsverletzungen in der Türkei das EU-Aufnahmegesuch verunglimpft, zurückweist, solle sich in die Köpfe und Herzen derer denken, die abgewiesen werden. Da werde nicht nur ein Staat zurückgewiesen, sondern eine Bevölkerung, jeder einzelne Mensch. Anti-Europäische Stimmung drohe als politische Folge.

Pamuk bezeichnete das Aufnahmegesuch der Türkei als Friedensangebot an das westliche Europa. Als Konsequenz und Hoffnung nach Jahrhunderten des Gegeneinanders von Morgen- und Abendland.

Die Ablehnung eines solchen Bundes kritisiert er als Abkehr von den Gedanken der Aufklärung, die das wesentliche Selbstverständnis Europas seien, während die Reduktion Europas auf das Christentum wie auch die Reduktion der Türkei auf den Islam eine einander vergleichbare Rückschrittlichkeit darstellen.

Unter den anwesenden Festaktsgästen waren zahlreiche Ablehner der türkischen EU-Mitgliedschaft. - Werden sie umdenken? Oder zumindest ein Stück weit besser verstehen?

Ich freue mich über den Friedenspreis des dt. Buchhandels für Orhan Pamuk. Ich freue mich für meine türkischen Freunde und alle, die ein vollständiges Europa wollen, ein Europa, das aus Staaten wie der Türkei keine "Pufferzonen" macht, sondern sie zu Bindegliedern zwischen Kontinenten und Kulturen werden lässt.

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20.10.2005

Agfa im Konkurs

Nach 140 Jahren Firmengeschichte wird die insolvente AgfaPhoto im Dezember ihre letzten 1.400 Mitarbeiter entlassen. - Die Zeichen der Zeit wurden verschlafen.

19.10.2005

Saddam Hussein vor Gericht

Am 13. Dezember 2003 wurde Saddam Hussein festgenommen, heute beginnt sein Prozess.

Die Liste seiner Verbrechen ist lang. Sein Machtantritt war blutig, seine Kriege gegen die Kurden, Schiiten waren blutig, sein Krieg gegen den Iran, seine Unterstützung des antiisraelischen Terrorismus, seine Annexion Kuwaits, seine Mitschuld an den beiden Irakkriegen mit den Bush-Präsidenten und deren Mitmacher.

Saddam Hussein sieht sich noch immer als "rechtmäßiger Präsident", da die USA ihm mit einem völkerrechtswidrigen Krieg die Macht genommen haben. Das eine hat jedoch mit dem anderen nichts zu tun, wie die rechtswidrige Verhaftung eines Mörders dessen Verbrechen nicht legitimieren, so wird auch kein Diktator durch Verbrechen gegen ihn legitimiert.

Husseins Verteidigung bestreitet dem irakischen Sondertribunal die Legitimation, bestehend aus fünf irakischen Richtern, die Legitimation, da sie von US-Gnaden sei. Das lässt sich nur schwer beurteilen, denn so sicher es ist, dass es ohne die US-Intervention dieses Gericht nicht gegeben hätte, so zwangsläufig ist, dass Provisorien für das Recht handeln müssen, wenn das Unrecht aus den Provisorien keinen Vorteil haben soll - und erst recht, wenn Angeklagte für diese Provisorien mitverantwortlich ist.

Aus vorstehenden Gründen halte ich das irakische Sondertribunal für hinreichend legitimiert und aus Gründen der Subsidiarität zunächst auch für zuständig.

Nicht Saddam Hussein kann diese Zuständigkeit bestreiten, wohl aber könnten es andere tun: z.B. der Iran, Kuwait und Israel, denn Husseins Kriege waren keine ausschließlich "innere Angelegenheit des Irak", wie überhaupt auch die ihm zur Last gelegten "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" eine Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs begründen.

Aber Subsidiarität heißt eben auch, dass der Prozess vor dem irakischen Sondertribunal stattfinden kann, wenn es seitens der Geschädigten keine Einwände gibt. Daraus folgt, dass alle Beteiligten die Chance haben müssen, gegen ein Urteil dieses Gerichts Rechtsmittel beim Internationalen Strafgerichtshof einzulegen. Dieses Rechtsmittel-Recht sollte auch Saddam Hussein zugebilligt werden - und nicht nur im Falle eines Todesurteils.

Die USA sollten den IStGH schleunigst anerkennen.

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18.10.2005

Stellvertreter der Stellvertreter

Die Große Koalition erweiterte gegen die Stimmen der kleinen Opposition das Bundestagspräsidium von 4 auf 6 Stellvertreter, die sich nun des Anderthalbfachen der üblichen ca. 7000 Euro BT-Diäten erfreuen.

Sodann wurden "Große Reden" geschwungen. Der neue BT-Präsident Norbert Lammert (CDU) tönte, dass in unseren schwierigen Zeiten das Parlament nicht bloßes Vollzugsorgan der Bundesregierung sein dürfe, sondern selbstbewusst ... Trotzdem dürften Lammert und wenigstens drei seiner "Stellvertreter" nicht vergessen haben, dass ihr Karriere-Step jener Regierungskoalition geschuldet ist, von der sie nun emanzipiert spielen.

Auch Otto Schily setzte sich noch einmal in Szene und forderte vom Parlament Optimismus, Klarheit, garniert mit dem sinnigen Hinweis, dass in einer Demokratie alle Macht nur auf Zeit verliehen sei. - Die Große Koalition scheint sich dessen bewusst und demonstriert mit der Vermehrung von Ministerien, Staatssekretären und Bundestagsstellvertretern, dass sie gewillt ist, die Machtzeit tüchtig zu nutzen, um möglichst viel abzuräumen. Jedes Regierungsmitglied, jeder Parlamentarier der Großen Koalition weiß, dass die Bürger sich über kostentreibende Polit-Stellvertretung aufregen, aber sie tun es trotzdem - sie tun es trotzdem, trotzdem.

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Fußball und Korruption

In Berlin-Moabit steht ab heute der frühere Fußball-Schiedsrichter Robert Hoyzer vor Gericht und muss sich für im Rahmen von Sportwetten manipulierte Fussballspiele verantworten.

15.10.2005

Hartz 4, Hartz 5, Hartz 6

Das Managerleben ist hart und teuer, die Wohnung in Braunschweig, Champagner, die Prostituierten, Vergnügungsreisen für Betriebsräte, fünf fliegen auf die Andamanen. Es kostet mehr als 150.000 Euro. Die Mitbringsel Volkerts für seine daheim gebliebene Frau: Schmuck im Wert von 33.307,03 Euro. Die Ehe hält. Trotz Erholung von Gott und der Welt. So werde gegen VW-Personalvorstand Peter Hartz und Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert ermittelt, denn sie zahlten es nicht aus eigener Tasche, sondern vom "Spesenkonto 1860 diverses". "Hartz4-Missbrauch bekämpfen!", so fordert Clement als Arbeitslosen-Wirtschaftsminister und gefällt.

Was wird aus Hartz und Kumpanen? Nicht ohne meinen Anwalt. Auch dafür gibt es Experten. Schwierige Fälle, schmierige Fälle. Die Gesetzeslücke gegen Untreue, Steuerhinterziehung und Korruption heißt Staatsräson. Die Republik braucht optimistische Bürger, keine Diskussion, wer wen vertritt und wie die eigenen Interessen.

Wie es schmeichelt, dass sie in den Sprachgebrauch kamen, als Reformer, als Synonym für die Existenzgrundlage Hartz4.

Wäre das vielleicht "Organisiertes Verbrechen"? Nein, es sind doch nur Menschen. Gewählte. Experten, Eliten usw.

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12.10.2005

Aktive Sterbehilfe?

Eine vom STERN in Auftrag gegebene Meinungsumfrage zum Thema des § 216 StGB ergab, dass 74 % den Ärzten die Verabreichung eines tödlichen Medikamentes erlauben möchten, wenn Schwerstkranke danach verlangen.
Nur 20 % der 1004 Befragten lehnen die aktive Sterbehilfe vollständig ab. Mit 6 % ist die Zahl der Unentschiedenen sehr gering.
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11.10.2005

Müntefering stoibert vs. Merkel

Müntefering stoibert gegen Merkel Gestern abend in der Tagesschau: "Die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs ist bei einer solchen Zusammenarbeit nicht lebenswirklich."

"Nicht lebenswirklich" ist solch Gelümmel, wenn man an einer seriösen Zusammenarbeit interessiert ist.

Frau Merkel sollte sich nicht ärgern, denn es gehört zur "Lebenswirklichkeit" von Müntefering, dass er glaubte, wochenlang alle Beteiligten mit "Kanzler Schröder" an Nase herum führte und nun "beeindrucken" muss, dass es eben doch Kanzlerin Merkel geben wird.

Auch Stoiber müntelt rum: "Es wird kein klassisches Direktions- und Weisungsrecht geben."

Dann möchten also Müntefering und Stoiber für die Kanzlerin das "imperative Mandat" einführen?

Klares Ja, klares Nein, meine Herren! - Und schon rudern sie zurück. Ach, wie ich das mag.

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Vogelgrippe kommt näher

Die Bundesregierung berief für morgen den nationalen Krisenstab von Bund und Ländern ein, nachdem es in Rumänien und der Türkei Verdachtsfälle der Vogelgrippe gibt. In Rumänien war die Massentötung von Geflügel wegen Bevölkerungsprotesten unterbrochen und wird nun fortgesetzt.

09.10.2005

Gr.Koalition steigert Bürokratie

Zur "K-Frage" fand sich angeblich noch immer keine Entscheidung, aber wahrscheinlicher ist es, dass man sich auf "Abwarten" verständigte, damit Schröder noch als "Kanzler" an der Geburtstagsfete von Putin teilnehmen konnte. Männerfreundschaften sind halt nicht selten von Titeln abhängig.

Gerüchteweise scheint die Große Koalition zugleich eine "Große Regierung" werden zu wollen, indem die beiden "großen Volksparteien" die Torte zunächst einmal kräftig vergrößert, damit ihnen das offenbar ungeliebte Teilen leichter fällt: das Ministerium für Arbeit und Wirtschaft soll geteilt werden, der Kanzleramtschef soll in einen Ministerrang gehiervt werden, ...

Welche Mehrkosten bringt das? Dabei wäre es angesichts von immer mehr EU allmählich Zeit, dass die nationalen Regierungen verschlankt werden.

-sven-

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